Als Integrationsbeauftragter des Kemptener Stadtrats und als Vorsitzender des Integrationsbeirats ist es meine Pflicht zu der geplanten Notunterkunft und zu den fremdenfeindlichen Äußerungen der Anlieger Stellung zu beziehen.
Kempten betreibt seit Jahrzehnten eine erfolgreiche Integrationspolitik. Menschen aus rund 120 Nationen leben friedlich miteinander und die kulturelle Vielfalt bereichert die Stadt und stellt damit einen positiven Faktor dar für den Wirtschaftsstandort Kempten. Fremdenfeindliches Verhalten ist die große Ausnahme. Seit vielen Jahren leben in der Massenunterkunft am Rübezahlweg durchschnittlich 140 Asylbewerber, die auf eine Entscheidung in ihren Verfahren warten. Auch der Rübezahlweg ist ein Wohngebiet, aber mehr als übliche Konflikte sind mir von dort nicht bekannt.
Die extreme Notlage durch den enormen Ansturm von Flüchtlingen erfordert allenthalben, auch in Kempten, die Bereitstellung von Unterkünften. Das Ämtergebäude in der Maler-Lochbihler-Straße ist zwar nicht ideal, aber für ein vorübergehendes Aufnahmelager immer noch besser geeignet als eine abgesperrte Unterkunft in einer Kaserne - was offensichtlich einige Anlieger lieber hätten.
Die ankommenden Flüchtlinge aus den Kriegsgebieten, unter ihnen auch etliche Christen aus Syrien, haben schlimmste Erlebnisse hinter sich, sind vor Verfolgung und tödlichen Gefahren geflohen. Diesen Menschen schlägt nun zumindest in den anonymen Äußerungen einiger Anlieger Fremdenfeindlichkeit und Hass entgegen. Diesen Flüchtlingen, zum Teil mit guter Qualifikation, denn darunter sind Handwerker, Lehrer, Apotheker usw. unterstellt man, dass sie stehlen und das Wohnviertel verunsichern. Diese Äußerungen erinnern an die schwärzesten Stunden deutscher Geschichte, sind menschenverachtend und lassen menschlichen Anstand, geschweige denn Nächstenliebe vermissen.
Auch Flüchtlinge wollen in der Stadt einkaufen, wollen eine normale Umgebung zum Leben haben, deshalb darf man sie nicht isolieren.
Kempten muss weiter eine weltoffene Stadt bleiben und statt Fremdenfeindlichkeit fordere ich eine Willkommenskultur, fordere Achtung und Respekt gegenüber den Flüchtlingen und vor allem eine menschliche Solidarität. Dankenswerter Weise zeigen einige Leserbriefe diese Haltung auch auf.
Auf dem diesjährigen Programmheft zum Interkulturellen Herbst 2014 steht das japanische Sprichwort „Urteile nicht über Dinge, von denen du nur Echo und Schatten kennst. Und über Menschen erst recht nicht.“
Die SPD-Stadtratsfraktion und der SPD-Kreisverband stellen sich voll hinter die Stellungnahme ihres Fraktionsvorsitzenden Siegfried Oberdörfer, hier als Integrationsbeauftragter und Vorsitzender des Integrationsbeirats geäußert.
Nachdem durch die Presseberichterstattung über die Einrichtung einer Notunterkunft für Flüchtlinge durch die Schwäbische Bezirksregierung in Kempten in den bundesdeutschen Medien über ein vermeintlich fremdenfeindliches Klima in der Stadt entstanden ist beantragte die SPD-Stadtratsfraktion eine Entschließung zur "Willkomenskultur für Flüchtlinge" durch den Stadtrat. Dieser Entwurf wurde überarbeitet die Grundlage für den einstimmigen Beschluss des Stadtrats am 9.10.2014. Laut Erklärung des Oberbürgermeisters Thomas Kiechle haben sich die Religionsgemeinschaften und caritativen verbände der Stadt dieser Erklärung angeschlossen. Den Wortlaut des Stadtratsbeschluss finden sie nachstehend:
Kempten betreibt seit Jahrzehnten eine erfolgreiche Integrationspolitik. Menschen aus rund 120 Nationen leben friedlich miteinander und die kulturelle Vielfalt bereichert die Stadt. Mehr als 20.000 Personen mit verschiedener Herkunft sind seit 1947 aus unterschiedlichen Gründen nach Kempten zugezogen. Sie waren und sind mitverantwortlich für den wirtschaftlichen Aufschwung unserer Stadt. Zahlreiche Aufgaben könnten ohne ihre Mithilfe nicht bewältigt werden. Fremdenfeindliches Verhalten ist daher in unserer Stadt eine seltene Ausnahme.
Der enorme Ansturm von Flüchtlingen erfordert aktuell, auch in Kempten, die Bereitstellung von Unterkünften. Die ankommenden Flüchtlinge aus den Kriegsgebieten, unter ihnen auch etliche Christen aus Syrien, haben schlimmste Erlebnisse hinter sich und sind vor Verfolgung und tödlichen Gefahren geflohen. Der Anstand, unsere humane und christliche Lebenseinstellung, unsere menschliche Solidarität sowie die kulturelle Offenheit unserer Stadt gebieten es, diese Menschen in ihrer Notsituation willkommen zu heißen. Die Stadt Kempten wird ihr Möglichstes zur Betreuung dieser Flüchtlinge tun. Wir wollen ihnen soweit helfen, dass sie ihr Leben in angemessener Zeit wieder selbstständig gestalten können. Bei dieser Aufgabe sind wir aber auf die konstruktive Unterstützung von Bezirksregierung, Land, Bund und Europäischer Union angewiesen. Die Hilfe für Flüchtlinge ist unsere gemeinsame Aufgabe.
Als verantwortliche der Stadt Kempten werben wir bei den Bürgerinnen und Bürgern um Verständnis für die erforderlichen Maßnahmen. Berechtigten Anliegen der Bürgerinnen und Bürger steht die Stadt offen gegenüber. Fremdenfeindliche Äußerungen missbilligt sie und distanziert sich davon. Sie entsprechen nicht dem gewollten Zusammenleben in unserer Stadt.