Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands, kurz SPD, ist die älteste und traditionsreichste Partei Deutschlands. Seit 1890 trägt sie ihren Namen. Im selben Jahr wurde auch in Kempten der erste sozialdemokratische Wahlverein gegründet. Seitdem arbeiteten hunderte Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten daran, die Lebensverhältnisse in ihrer Heimatstadt zu verbessern.
Erste polizeiliche Notizen über eine „sozialistische Volksversammlung“ finden sich unter dem Datum vom 8.11.1877 in Kempten. Es ist die Zeit kurz vor der Verabschiedung der Sozialistengesetze (1878-1890). Am 22.11.1890 dann Gründung eines sozialdemokratischen Wahlvereins in der Gaststätte „Goldenes Ross“ (Bäckerstr. 25), Vorstandswahl dort am 7.12.1890. Dort auch am 16.2.1891 die 1. Große sozialdemokratische Versammlung im überfüllten Saal. Referenten waren Eduard Schmid (1919-24 Oberbürgermeister von München) und der aus Hirschdorf bei Kempten stammende spätere Münchner Reichstagsabgeordnete Johann Georg Birk.
Darüber schrieb die Presse: “Um der Sozialdemokratie wirksam zu begegnen, bleibt nichts anderes übrig, als in ihre Versammlungen selbst zu gehen und die Irrlehren der sozialdemokratischen Agitatoren mit aller Entschiedenheit zu bekämpfen.“ Die Presse berichtete dann nicht mehr. Nur aus polizeilichen Akten ist zu entnehmen, dass Georg von Vollmar, damaliger Reichstagsabgeordneter und ab 1894 erster Vorsitzender der SPD in Bayern, am 26.11.1891 auf einer Versammlung in Kempten sprach. 1894 nahm ein Delegierter an der Gründungsversammlung der Bayerischen SPD in Regensburg teil.
Die Mitglieder waren massiven Repressalien, besonders seitens der Arbeitgeber ausgesetzt und so tritt erst 1896 mit dem Vorsitz des Schneiders Georg Hingele Kontinuität in der Kemptener SPD ein. Er war Vorsitzender bis mindestens 1914, gründete 1899 die SPD Lindau mit, verlor 1905 seine Arbeit wegen seiner politischen Tätigkeit. 1926 wurde er für seine 35jährige Mitgliedschaft geehrt. 1905 gelang es erstmals ein Landtagsmandat durch den Münchner Arbeitersekretär Johannes Timm zu erlangen. Von 1905 bis 1933 war Timm Mitglied des Bayerischen Landtages. Während der Novemberrevolution wurde er Mitglied des provisorischen Nationalrates von Bayern. Zudem war er im Kabinett Eisner bis Februar 1919 Justizminister. Von 1918/19 bis 1933 war er Vorsitzender der SPD-Landtagsfraktion.
1905 wurde mit Heinrich Gölzer der erste Gemeindebevollmächtigte (auch in ganz Schwaben) gewählt. Besonders aus den Anfängen ist noch das Wirken Wilhelm Deffners zu würdigen, der in der Zeit vor dem 1. Weltkrieg mit Heinrich Gölzer Gemeindebevollmächtigter in Kempten war und vergebens im gesamten Allgäu vor den Gefahren des 1. Weltkriegs warnte. Am 9.11.1918 rief Deffner den provisorischen Arbeiter- und Soldatenrat in Kempten aus. Am 1. Mai 1919 erschien mit der „Allgäuer Volkswacht“ eine eigene sozialdemokratische Tageszeitung. Am 12. August zerstörten Mitglieder der rechtsgerichteten Freikorps-Soldaten die Druckmaschinen. Am 1. Juli 1920 wurde sie aus finanziellen Gründen in die „Augsburger Schwäbische Volkszeitung“ eingegliedert, deren Redakteur der spätere Reichstagsabgeordnete Josef Felder war.
Aurelia Deffner, (10.12.1881 Handzell/Pöttmes, gest. 29.6.1959 Augsburg) war 1901 Mitbegründerin und Vorsitzende des Sozialdemokratischen Bildungsvereins für Frauen und Mädchen. Nach Abschluss der Volksschule im Alter von 14 Jahren fing Deffner 1897 an als Textilarbeiterin in einer Augsburger Baumwoll-Feinspinnerei zu arbeiten. 1900 trat sie den Deutschen Textilarbeiterverband bei. Aufgrund ihrer Verlobung mit den aktiven Sozialdemokraten Wilhelm Deffner wurde ihr gekündigt, sie fand jedoch bald wieder Arbeit in der Kammgarnspinnerei. Im November 1902 heiratete sie und arbeitete für zwei weitere Jahre.
Ab 1904 war sie aktiv in Frauenorganisationen. 1905 wurde sie Vorstand des Augsburger Frauenbildungsvereins, 1906 wurde sie die Stellvertreterin der Vertrauensperson Marie Greifenberg, und ein Jahr später übernahm sie das Amt von Greifenberg. Deffner veranstaltete Leseabende auf den sich Frauen mit den Parteiprogramm der Sozialdemokraten befassten. Deffner warb auch für das Frauenwahlrecht, das die Sozialdemokratische Partei im Erfurter Programm von 1891 gefordert hatten. Als 1908 das Reichsvereinsgesetz geändert wurde so das Frauen volle Vereins- und Versammlungsfreiheit erhielten organisierte Deffner den geschlossenen Übertritt des Augsburger Frauenbildungsvereins in die SPD. Deffner wurde daraufhin in den Parteivorstand gewählt und 1910 wurde sie zweite Schriftführerin. Ende 1910 zogen Aurelie und Wilhelm Deffner mit ihren zwei Kindern nach Kempten, wo Wilhelm Deffner die Geschäftsstelle des Textilarbeiterverbands für den Allgäu einrichtete. Ab 1912 war sie erste Schriftführerin der SPD in Kempten. Sie agitierte für das Frauenwahlrecht auf Kundgebungen in Kempten und 1914 auf dem Frauentag in Augsburg. Als ihr Mann eingezogen wurde, übernahm sie in 1917 die Leitung des Kemptner Textilbezirkes. 1919 wurde Deffner als SPD Abgeordnete für den Wahlkreis Kempten-Sonthofen in den bayrischen Landtag gewählt. Während der Wahlperiode zog Fam. Deffner wieder nach Augsburg. Das Landtagsmandat endete 1920.
Der Duracher Förster Wilhelm Zimmerer war von 1925 bis zur Machtübernahme der Nazis 1933 Landtagsabgeordneter. 1922 wurde Albert Wehr (1895-1987) Vorsitzender der Kemptener SPD. 1929 übernahm er die Leitung der sozialdemokratischen republikanischen Schutztruppe „Reichsbanner“. Sie verfügte über 2 Hundertschaften vorwiegend junger Sozialdemokraten.
Mit der Machtübernahme 1933 wurden die sechs SPD-Stadträte verhaftet und in Kempten, Landsberg und dem KZ Dachau eingekerkert. Der letzte wurde 1934 wieder entlassen. Alle Parteiorganisationen waren verboten. Wilhelm Zimmerer und Albert Wehr versuchten eine Widerstandsgruppe aufzubauen. Durch die Verhaftungen scheiterte das Vorhaben. Viele Mitglieder wurden zu sehr harten Arbeiten (Eisenbahnschienen, Weichen und Stellwerkseinrichtungen enteisen, Steine für den Kasernenbau schleppen) zwangsverpflichtet. Trotzdem gab es geheim Treffen auf Berghütten und Verbindung zum Exilparteivorstand.
Schnell fanden nach dem verheerenden Krieg die Sozialdemokraten in Kempten wieder zusammen. Im Dezember 1945 genehmigte die Besatzungsmacht die Wiedergründung. Die Nachkriegsthemen, die Versorgung der Bevölkerung mit Wohnraum, Heizmaterial und Lebensmittel bestimmte die inhaltliche Arbeit und die Jusos gründeten sich 1946 auch mit dem Ziel „die Jugendlichen von der Straße und dem Schwarzmarkt weg zubringen". Die Mitgliederzahl in Stadt und Landkreis wuchs schnell auf über 1800. Die Mitgliederzahl spiegelte sich nicht im Wahlergebnis. So erreichte die SPD 1946 fünf und 1948 sechs von 32 Mandaten.
Laura Häfner wurde bei der Wahl am 26.5.1946 die 1. Stadträtin in Kempten nach dem 2. Weltkrieg. Sie gehörte dem Stadtrat während der 1. Wahlperiode bis zum 30.5.1948 an. Laura Häfner war bereits vor dem 1. Weltkrieg in München aktiv und setzte sich sehr für das Frauenwahlrecht ein.
Ein besonderer Erfolg war es dann, dass 1946 Albert Wehr einstimmig zum 2. Bürgermeister gewählt wurde und dieses Amt bis 1972 bei sechsmaliger Wiederwahl innehatte. 1949 war er ein wesentlicher Begründer und viele Jahre Leiter der „Allgäuer Festwoche“. Bis heute eine der wichtigsten regionalen Messen in Deutschland. 1975 wurde der „Altbürgermeister“ der 13. Ehrenbürger der Stadt.
Höhepunkt überregionale Veranstaltungen war 1955 der Landesparteitag der Bayern SPD. Wichtiges Thema war die friedliche Nutzung der Kernenergie, auf die viel Hoffnung gesetzt wurde. "1956 verengte sich mit dem Verbot der KPD der linke Bereich des Parteienspektrums. Neben linksorientierten Wählern konnte die SPD zugleich bis 1972 zunehmend bürgerliche Wähler gewinnen. Der bundesweite Trend unterstützte dabei eine kommunal günstige Stimmungslage. Anders als die CSU entwickelte sich die SPD während der 1950/1960er jahre nicht zu einer straff organisierten Partei, sondern verließ sich lange auf ehrenamtliche Mitarbeiter. Den Kreisverband der SPD mit 332 Mitgliedern (1970), aufgeteilt in vier Ortsvereine, leiteten nacheinander Wendelin Mohrweiser, Ludwig Jaud und Günter Wirth. Zwischen der Parteiorganisation und der Stadtratsfraktion gab es mancherlei Konflikte. Sie gefährdeten aber nie die Arbeit der SPD für die Stadt. Ihr wichtigster Repräsentant im Stadtrat war Albert Wehr. der ihm mehr als 30 Jahre angehörte, 25 Jahre davon, bis 1972, als Zweiter Bürgermeister. Von 1958 bis 1966 hatte er zugleich einen Sitz im Landtag. 1972 wurde Karl Möller zm 2. Bürgermeister gewählt." (Geschichte der Stadt Kempten, S. 464)
Die Zahl der Stadträte wuchs bis 1960 auf 11 Mandate. Bei den Wählerstimmen gab es sogar die Mehrheit. Die besten Wahlergebnisse bisher ergaben sich 1962 für Albert Wehr mit 42,4% bei der Landtagswahl und Gerhard Reischl 1969 mit 39,2 % bei der Bundestagswahl.
Landtagsabgeordnete waren Wilhelm Zimmerer (1950-51), Ernst Gumerum (1954-58). (Wurde 1958 aus der SPD nach einer Verurteilung wegen Betrugs ausgeschlossen,Spiegel 18/1960) Albert Wehr (1958-66), Ludwig Jaud (1966-70 und 1971-74) und Günter Wirth (1970-1994) Lothar Köster (1982-1986). Bundestagsabgeordnete über die bayerische Landesliste waren Gerhard Reischl (17.7.1918-18.4.1998) von 1961-1972, dabei von 1969-71 parlamentarischer Staatssekretär im Finanzministerium, 1971-73 Mitglied im Europäischen Parlament, 1973-1981 Generalanwalt am Europäischen Gerichtshof. Dieter Lattmann (15.2.1926 - 17.4.2018) von 1972-1980. Er ist der wesentliche Initiator der Künstlersozialversicherung und Verfechter von Abrüstung, für Frieden und demokratische Freiheiten.
Mit der Gebietsreform 1972 und den Eingemeindungen von St. Mang und St. Lorenz hat Kempten 44 Stadtratssitze, davon gewann die SPD 1972 17. Es gab in der Fraktion drei Meinungsgruppen. Fünf Jungsozialisten gewannen 1972 Stadtratsmandate und die starke St.Manger-SPD waren zu recht auch darauf bedacht, dass sie als Neubürger bei der Stadtentwicklung nicht unter gebuttert wurden. Die Folge war eine Neuorganisation der SPD in Kempten in einen Kreisverband und vier Ortsvereine. Unterschiedliche persönliche Interessen entgegen den Absprachen in der Stadtratsfraktion führten 1978 zum Austritt von drei der 14 gewählten Stadträte und dem Verlust des Postens des 2. Bürgermeisters.
Höhepunkte in Wahlkämpfen waren 1976 der Auftritt von Bundeskanzler und Friedensnobelpreisträger Willy Brandt auf dem überfüllten Hildegardplatz und 1980 das ebenso übervolle eigens angemietete Festzelt bei der Allgäu-Halle mit Bundeskanzler Helmut Schmidt.
Die innerparteilichen Auseinandersetzungen auf Bundesebene (u. a. ,Nato-Doppelbeschluss) spiegelten sich auch in Kempten wieder. Bildungs-, Jugend-, Sozial- und Wohnungspolitik, Erhalt von Arbeitsplätzen, kulturelle Vielfalt waren unstrittige kommunale Ziele. Die Errichtung von Jugendzentren, die bedarfsdeckende Versorgung mit Kindergartenplätzen konnte u.a. durchgesetzt werden. Besondere Umstände ermöglichten erstmals 1990 in einer Stichwahl die Übernahme des Postens des Oberbürgermeisters durch Dr. Wolfgang Rossmann. Die Umgestaltung des Rathausplatzes und die Errichtung der Zentralen Umsteigestelle für den Busverkehr sind neben der Schaffung vieler Kindergartenplätze sein besonderer Verdienst. 1996 musste die SPD dieses Amt wieder abgeben.
Über Kommunalpolitische Aktivitäten versucht der Kreisverband mit der Stadtratsfraktion wieder mehr Gewicht in der Stadtpolitik zu erlangen. Mit den Beauftragten für Integration (Siegfried Oberdörfer, Ilknur Altan in der Nachfolge 2018), Jugend und Familie (Gina Liebhaber) und Senioren, Menschen mit Behinderung und Heime (Lothar Köster) besetzt die SPD-Stadtratsfraktion wesentliche sozialpolitische Felder für das Klima in der Stadt. Das "Seniorenpolitische Gesamtkonzept der Stadt Kempten" und der "Kommunale Aktionsplan zur UN-Behindertenrechtskonvention" basieren auf Anträge der SPD-Stadtratsfraktion. 2014 gelang es bei der Kommunalwahl mit Martin Berhard als OB-Kandidat ein achtbares Ergebnis zu erzielen und den Trend der Mandatsverluste zu stoppen und zu drehen. 2015 rückte mit Ilknur Altan erstmals eine Frau mit Migrationshintergrund in den Stadtrat in die SPD-Stadtratsfraktion nach, die mit ihr nun mehrheitlich von Frauen gebildet wird. Ein Novum in der Zusammensetzung von Fraktionen im Kemptener Stadtrat.
2020 erlitt die SPD bei den Kommunalwahlen in Folge der schlechten Stimmungslage für die Partei eine deutliche Niederlage und ist seitdem nur noch mit 4 Mitgliedern im Stadtrat vertreten, drei Frauen (Katharina Schrader, Ilknur Altan, Ingrid Vornberger) und Wofgang Hennig.