Albert Wehr (eigentlich Adalbert)(* 16.02.1895 in Kempten, † 30.05.1987 in Kempten)
Albert Wehr ist geschichtlich betrachtet das bekannteste Mitglied der Kemptener Sozialdemokratie.
Geboren 1895 in Kempten (Geburtshaus mit Hinweistafel Johannisweg) begann er 1910 eine Feinmechanikerlehre bei der Fa. OTT. Nach der Musterung im März 1915 kam er zur Kgl. Luftschiffer-Ersatzabteilung der Bayerischen Armee. Nach dem Einsatz vor Verdun als Luftbeobachter im Fesselballon wurde er 1918 nach München versetzt um beim Bau neuer Präzisionsgeräte für die Artillerie mitwzuwirken. Aus der Rekrutenausbildungszeit gibt es eine schöne, die Zeit und die Standesregeln typisierende Anekdote: "Zwischendurch streifte der uniformierte Tanzschüler Albert eine Königliche Hoheit im Englischen Garten am Ärmel und lebte tagelang in Ängsten vor den Folgen."
1918 trat Wehr in die SPD und den Metallarbeiterverband ein und war von 1922-1931 Vorsitzender der Kemptner SPD und des Stimmkreises Kempten/Sonthofen. Er engagierte sich weiter, so wurde er 1923 auch Mitglied in der Führung der örtlichen Arbeiterwohlfahrt und bei den Naturfreunden. 1926 gründete er, seit einem Jahr Feinmechanikermeister, eine Segelfluggruppe in Kempten.
1927 machte er sich selbstständig in der Bäckerstr. 4 und betrieb diese Spezialgeschäft mit Reparaturwerkstatt bis 1958.
1929 wurde Albert Wehr erstmals und als jüngstes Mitglied in den Stadtrat gewählt bis er 1933 von den Nazis verhaftet wurde. 1932/33 war er Reichsbannerführer in der Stadt. Mehrmals wurde er seitens der Nazis in Schutzhaft genommen, ins KZ Dachau verbracht oder stand unter Polizei- und Meldeaufsicht. 1939 heiratete er seine Frau Maria, geb. Ferschl. Von 1939 bis 1945 war er im Kriegsdienst als Flugbetreuer auf dem Fliegerhorst Memmingerberg.
1945 wurde er von der amerikanischen Militärregierung als Bürgermeister von Immenstadt eingesetzt. 1946 wurde er einstimmig zum hauptamtlichen 2.Bürgermeister in Kempten gewählt. Bei der Kommunalwahl 1948 wurde diese Position in ein ehrenamtliches Amt umgewandelt, dass er als Experte für Handel, Handwerk und Verkehr bei fünfmaliger Wiederwahl bis 1972 inne hatte. Daneben gehörte er einer Vielzahl von Ausschüssen an. Zudem war ebenfalls bis 1972 stellv. Vorstand der Sparkasse Kempten und des AÜW. Von 1954 - 1958 war Wehr Miglied des Schwäbischen Bezirkstages. 1958 wurde er zum Mitglied des bayrischen Landtags gewählt, dem er bis 1966 angehörte.
Der Wiederaufbau von Kempten nach 1945 ist untrennbar mit dem Namen Albert Wehrs verbunden. Zu seinen herausragenden Leistungen gehörten die Gründungen des Stadtverkehrs und vor allem die Allgäuer Festwoche. Daneben setzte er sich für die Errichtung des Wetteramtes auf dem Bühl, der Landwirtschaftsschule Kempten, der Restaurierung der Residenz (1955), dem Bau des AWO-Altenheims an der Lenzfrieder Straße (1956), der Jugendherberge (1959) und Rekonstruktion der Burghalde und Bau der Freilichtbühne ein.
1965 stiftete er den "Wehr-Brunnen" am Zumsteinhaus.
1958 erhielt er die Goldene Bürgermedaille der Stadt, 1963 das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse, 1966 den Bayerischen Verdienstorden, 1968 die Kommunale Verdienstmedaille in Silber, 1972 wurde ihm der Titel "Altbürgermeister" verliehen, 1975 die Ehrenbürgerwürde der Stadt Kempten.
"Prinz Albert von Kottern", so sein Ballonfahrername, pflegte das Hobby der Fliegerei, besonders das Ballonfahren, und war mehr als freundschaftlich mit Alfred Eckert in diesem Hobby verbunden. Beide hatten weit über Schwaben hinaus einen Namen und nutzten das Hobby für soziale Aktivitäten. Einmal holten sie die Weihnachtspost von Christkindl in Österreich.
Zu Ehren und seinem Angedenken stifteten die Kemptener Sozialdemokraten 1997 den Ehrenpreis Albert Wehr. Geehrt werden sollen damit Genossinnen oder Genossen, die aus Überzeugung zeitlebens für die Sozialdemokratie eingetreten sind.
Quellen: Stadtarchiv Kempten, Allgäuer Zeitung