Geschäftsordnung Bundestag

Antrag an den SPD-Parteivorstand und die SPD-Bundestagsfraktion

Mit großer Verärgerung haben wir von den Plänen erfahren, dass die Geschäftsordnung des Bundestages auch mit Unterstützung der SPD-Bundestagsfraktion in dem Sinne geändert werden soll, dass das Rederecht bei abweichenden Meinungen von Abgeordneten gegenüber der Mehrheitsmeinung von Fraktionen erheblich eingeschränkt wird.

Eine solche Haltung entspricht in keiner Weise der Tradition der SPD. Ein Großteil der Mitglieder kam gerade mit dem Slogan von Willy Brandt „Mehr Demokratie wagen!“ zur SPD. Dazu gehört die innerparteiliche Diskussion. Gegenüber oft geäußerter Ansicht trägt auch die öffentliche Darstellung unterschiedlicher Positionen zur Glaubwürdigkeit einer Partei bei. Die SPD hat gerade, weil sie die Priorität des mehr Demokratie wagen im Sinne der Freiheit des Wortes viel an Attraktivität in den letzten Jahrzehnten verloren, da eher von Vorstand und Fraktion die Meinung diktiert wurde bzw. manche notwendige Überzeugungsarbeit zur Unterstützung der Ziele ungenügend war. Gerade im sich verändernden Parteienspektrum und der Wahlpräferenzen der Wähler ist ein Schritt zur Begrenzung demokratischer Rechte, siehe ACTA-Vorhaben, kontraproduktiv zur Gewinnung weiterer und neuer Wählerinnen und Wähler.

Der SPD-Kreisverband Kempten fordert Parteivorstand und Bundestagsfraktion auf, dem Vorhaben der Änderung der Geschäftsordnung des Bundestages im Sinne eines eingeschränkten Rederechts für Abgeordnete mit abweichenden Ansichten zur Fraktionsmehrheitsmeinung nicht zuzustimmen.

Die Attraktivität und Wählbarkeit der SPD setzt voraus, dass es keine Begrenzungen von Redefreiheit, gerade im Parlament gibt. Das fordert allein schon die Erfahrung aus der Geschichte der SPD.

Wenn es in beschließenden Gremien der SPD, einschließlich aller Fraktionen, nicht gelingt eine Akzeptanz für die Mehrheitsmeinung zu erzielen, muss die Gegenposition weiter vertreten werden können, auch in allen Parlamenten.

Hält die Partei das Gedankengut von Herrn Sarrazin aus, dann sind abweichende Meinungen an anderer Stelle leicht auszuhalten und die SPD-Bundestagsfraktion darf nicht Handlanger der Interessen des politischen Gegners werden.

Der Kreisvorstand der SPD-Kempten hält diesen vorstehenden Antrag aufrecht, auch wenn zwischenzeitlich das gesamte Vorhaben gestoppt wurde und Genosse Oppermann deutlich aussprach, dass ein solches Vorgehen mit der SPD nicht möglich ist. Trotzdem stehen wir zu diesem Antrag, da es um eine grundsätzliche Haltung geht und zwischenzeitliche Gespräche, z.B. mit dem SPD-Landesvorsitzenden Florian Pronold uns darin bestärken, da er betonte, dass sei nie ein Vorhaben gewesen, sondern die „böse Presse“ habe wieder versucht der SPD zu schaden. Wenn das so ist, dann hätten aber nicht schwammige Formulierungen der Fraktionsführung in den Medien erscheinen dürfen, sondern sofort ein klares „Nein, mit uns nicht!“ wie vom Fraktionsgeschäftsführer Tage später, oder vorher vom Vizepräsidenten des Bundestages Wolfgang Thierse bzw. vom Vizepräsidenten des Bayerischen Landtages Franz Mageth. Dieses Verhalten ist es, was uns Mitglieder und die Öffentlichkeit irritiert. Außerdem gehen wir davon aus, dass Partei- und Bundestagsfraktionsspitze wissen, wie die Medienlandschaft heute funktioniert, das müssen wir vor Ort schon wissen und uns ist klar, dass wir außer der Darstellung, die wir auf unsern eigenen Medien betreiben immer Gefahr laufen, anders dargestellt zu werden.